Gedenken an die Opfer der NS - Euthanasie
'Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist'

Wir wollen so vielen Opfern wie möglich ihre Identität wieder geben.


Die NSDAP-Kreisleitung Münsingen hatte ab 1933 die Herrschaft in der Staatlichen Heilanstalt Zwiefalten. Sie entschied, wer eingestellt oder entlassen wurde. Der bei Pflegepersonal und Patienten gleichermaßen beliebte Oberarzt Julius Moegelin wurde wegen kritischer Bemerkungen über Hitler bei der Ulmer Gestapo denunziert, verhaftet und zu 8 Monaten Haft verurteilt. Nach Verbüßung der Strafe erhielt er praktisch Berufsverbot. Der Ärztliche Direktor Dr. Daiber (1918-1935) wurde vom Innenministerium am 10. Dezember 1935 aufgefordert „um Ihre Zurruhesetzung nachzusuchen“. Die NSDAP-Kreisleitung Münsingen und die Deutsche Arbeitsfront hatten sich über seine regimekritische Haltung beschwert, sodass „eine weitere Zusammenarbeit mit Ihnen nicht mehr möglich“ sei.

Zu Beginn des Jahres 1938 waren 61 Pfleger und 51 Pflegerinnen beschäftigt, die 634 Kranke zu versorgen hatten. Obligatorisch für eine Anstellung war der „Nachweis der arischen Abstammung“ und die Erklärung, dass man nicht „von jüdischen Eltern oder Großeltern abstamme“. Der Dienst begann um 6.00 Uhr und endete um 19.30 Uhr mit der Übergabe an den Nachtdienst. Die Mittagspause war eine oder eineinhalb Stunden lang. In der Regel waren zwei Pflegekräfte im Wachsaal mit etwa 30 Patienten beschäftigt. Unruhige oder gewalttätige Patienten wurden in eigenen Zellen untergebracht und die anderen Patienten waren meist den ganzen Tag im Bett.

Ab 1937 führte Prof. Hans W. Gruhle die Schocktherapie durch Cardiazolbehandlung bei Schizophrenie, bei der ein künstliches Koma erzeugt wurde, und den Insulinschock bei vorwiegend bei älteren Patienten ein. Im Rahmen des Anstaltsalltages wurden Vorträge, Konzerte und Theateraufführungen für die Patienten angeboten, die von wohltätigen Vereinen organisiert waren. Die Veranstaltungen waren öffentlich.

Anfang 1940 war die Anstalt völlig überfüllt von Patienten aus den staatlichen und privaten Anstalten, die aus „planwirtschaftlichen“ Gründen aufgelöst wurden und ihre Patienten an Zwiefalten abgeben mussten. Mindestens 1.673 Patienten wurden 1939/40 aus Rastatt, Bedburg-Hau, Konstanz, aus Südtirol, Liebenau, Günzburg, Heggbach, Herthen, Mariaberg, Rabenhof, Kork, Stetten, Sinsheim, Wiesloch, Kaufbeuren und Weinsberg über Zwiefalten in andere staatliche Anstalten oder nach Grafeneck „verlegt“. Der Assistenzarzt Paul Kraus, bis September 1942 in der Anstalt, beschrieb die katastrophalen Verhältnisse: „Hunderte von Kranken warteten in notdürftigen Unterkünften (auf blankem Stroh!) auf ihre letzte Fahrt. Manchmal waren sie wie Heringe auf Stroh geschichtet. Eine Reihe starb meist schon während der Wochen des Wartens auf den Weitertransport.“

Am 2. April 1940 verließ der erste Transport die Staatliche Heilanstalt Zwiefalten, um psychisch kranke Männer, Frauen und Kinder der nahegelegenen Grafenecker Gaskammer auszuliefern. Bis zum 9. Dezember 1940 wurden 22 Transporte mit mehr als 1.000 Patienten, darunter auch Kinder, aus Zwiefalten nach Grafeneck deportiert und getötet.

Ende Dezember 1940 wurden die Tötungen in Grafeneck eingestellt, in Zwiefalten aber wurde die „Euthanasie“ an einzelnen Patienten weitergeführt. Ein Abteilungspfleger berichtete, es seien „arg viel Kranke auf den Friedhof gekommen. Das hat man wohl mit Spritzen und Tabletten gemacht. Die ehemalige Direktorin Dr. Martha Fauser (1940-1945) wurde dafür 1949 wegen des “Verbrechen des Totschlags“ zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Quelle: http://www.forschung-bw.de/history/psychiatricmuseum.php?section=museum [Stand 20.08.2015]

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